„Cool bleiben statt zuschlagen“
„Cool bleiben statt zuschlagen“
Die Wochen vor Weihnachten kommen mir lang vor. Die Kinder meiner Klasse, sind pubertierend, manchmal rührend – manchmal anstrengend.
Ein Tag eigentlich wie immer: ich habe Pause und schaue aus dem Fenster. Auf dem Schulhof schreien, Schimpfwörter, Fußball, schaukeln, ärgern, beieinander stehen, reden, langweilen.
Ständig kommen in der letzten Zeit Klagen über rüdes Benehmen, ständig brauche ich Zeit und Kraft, um Streit zu schlichten. Da wird vor allem verbal verletzt, geschubst, gekniffen, getreten und geschlagen. Woran liegt das? War das früher auch so, als ich so alt war?
Die Gedanken arbeiten ständig in mir. Bis ich ein Tages beschließe:„Nun gut, was die Kinder noch nicht können, ist sicher lehr- und lernbar!“
Von da an läuft’s. Ich besorge mir Literatur und Anregungen. Eine private Gruppen arbeit gibt mir viel Sicherheit. Weiß ich doch, wie man sich bei solchen Aktivitäten fühlen kann.
Im neuen Jahr startet unser Projekt „Cool bleiben statt zuschlagen!“ 3 x pro Woche im HU. Ich schaffe Rituale, einen Ablauf der immer gleich bleibt, informiere, um Ver trauen zu fördern und Interesse zu wecken.
Zu Beginn lege ich eine CD in den Kassettenspieler, romantisch und ruhig. Die Kinder kommen herein und laufen zur Musik durch den Raum. Sie finden sich, lassen sich los, reden, gehen im Kreis, zu vielen eingehakt, machen Späße. Manche gehen allein, suchen Verbindung, auch einen kleinen Streit. Ich beobachte, komme auch an, fühle mich innerlich ein.
Dann ein Sitzkreis im Schneidersitz, schön ausrichten – das Anfangsblicklicht -. Jeder erzählt, wie es ihm geht – auch ich, als ich dran bin.
So beginnt und schließt jede Einheit.
Ich sage ein Spiel an. Ein Kreis wird gebildet, zwei Schrubber, ein Aufnehmer, zwei gewählte Kandidaten. Ich rufe:„Auf die Plätze, fertig, los!“ Unverständnis wird laut. „Was sollen wir spielen?“ Ach ja, wir brauchen Regeln. Auch für unser Projekt, ja, eigentlich brauchen wir ständig Absprachen. Das ist die erste Arbeit in Kleingruppen und im Plenum. Die Regeln werden beschlossen und von allen unterschrieben.
Wir machen in der Folge viele Spiele. Es gibt Kennenlern- und Koordinationsspiele. Immer wieder ist Kooperation gefordert, um ein Ziel zu erreichen.
Wir spielen Alltagssituationen, Anmache und Streitsuche. Welche Möglichkeiten gibt es, Streit zu schlichten oder erst gar nicht zu streiten. Es wird geübt, gut zu streiten und sich zu versöhnen.
Wir suchen alles was es an Schimpfwörtern gibt, wählen daraus drei aus, die am verletzendsten sind und beschließen, sie nicht mehr zu verwenden.
Immer wieder bin ich berührt von dem Spaß und auch von der Ernsthaftigkeit, mit der die Kinder an die Aufgaben gehen.
Es gibt auch Tage oder Situationen, wo ich glaube, mich einmischen zu müssen, wo ich ungeduldig bin, eine Verhaltensänderung sofort will, Entwicklung nicht abwarten will.
Ein Höhepunkt dieses Projekts ist ein Ausflug nach Hörde in den „Klettermax“. Dort können die Kinder gesichert klettern und ausprobieren, bis sie an die eigenen Gren zen stoßen. Die Grenzen waren sehr unterschiedlich. Auch das musste ausgehalten werden.
Am Ende des Projekts bringt ein Fragebogen zu Tage: Es waren die Spiele, die allen am Besten gefallen haben. Alle waren der Meinung, es habe sich nicht großartig etwas verändert.
Ich aber glaube und sehe, dass ein Samenkorn gelegt ist. Nun müssen wir nur noch fleißig und ausdauernd gießen. Dann kann Verständnis für den Andern, Vertrauen und Selbstbewusstsein wachsen.